Ich habe das Buch zufällig entdeckt und frage mich: Wie konnte es mir entgehen? Es ist 2020 erschienen und war nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland in den Beststellerlisten. Manche Perlen entdeckt man eben zufällig.
Eine Perle, weil der Autor Wissenschaft und jahrtausendealte Tradition bzw. Atemtechniken gleichermaßen betrachtet und völlig unvoreingenommen an die Dinge herangeht. Er selbst bezeichnet das Buch als „wissenschaftliche Abenteuerreise zur verlorenen Kunst und Technik des Atmens“. James Nestor hat eine persönliche Motivation: Er hat einige Atemwegserkrankungen durchgemacht und er ist Taucher – und ein brillanter Journalist. Das Buch ist dramaturgisch hervorragend aufgebaut und immer spannend.
Nestor überzeugt sich in einem 20-tägigen Selbstversuch, wie schädlich Mundatmung wirkt und wie wohltuend Nasenatmung. Er besucht Wissenschaftler, Ärzte und Yogalehrer, kriecht durch Pariser Katakomben, um früheren Schädelformen nachzuspüren. Er erinnert an die Arbeit von „Dr. Breath“ Carl Stough und den Verfechter des reduzierten Atems, Konstantin Buteyko.
Nestor hat Atemtechniken selbst ausprobiert, von yogischen Pranayamas über das holotrope Atmen nach Grof bis hin zur Tummo-Atmung aus der buddhistischen Tradition. Wenn man das Buch am Ende zuklappt, ist eines klar: Atem ist Leben. Und die Atmung hilft, gesund zu bleiben oder zu werden. Davon war ich schon vorher überzeugt, aber das Buch führt viele Fäden zusammen, untermauert mit Studienergebnissen und zitiert alte philosophische Texte. Alle Atemtechniken, die heute bekannt sind, wie das im Buch beschriebene Atmen nach Wim Hof oder Sudarshan Kriya, – alle sind Abwandlungen alter Techniken und Pranayamas
Mehr Infos gibt es auf der Webseite von James Nestor. Wer gerade erst in das Thema einsteigt, sollte sich aber erst einmal gemeinsam mit einer Lehrerin oder einem Lehrer dem Atmen widmen. Es lohnt sich.
James Nestor: Breath Atem
Piper, ISBN 9783492058513